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3Y0J – eine DXpedition mit Einmaligkeitscharakter und Axel, DL6KVA war dabei

Wenn es sowas gibt wie ein „Mitten im Nirgendwo“, dann ganz sicher an einem menschenleeren Ort, rund 1600 Km vom Eis der fast unbesiedelten Antarktis und 2600 Km vom südafrikanischen Kapstadt entfernt. Wer will da hin, auf eine Insel vulkanischen Ursprungs, die im Sommer zu 93% von Schnee und Eis bedeckt ist und auf der an 300 Tagen im Jahr Stürme und schlechtestes Wetter herrschen? Dass dieser von uns mit etwa 12000 km weit entfernte Ort staatsrechtlich Norwegen zugeordnet ist – eher Notiz am Rande. Was macht also die Insel so interessant? Funkamateure interessiert es, das DXCC Land „3Y“ in der Zone 38 per Funk zu erreichen. Daher spitzen viele beim Inselnamen Bouvet die Ohren und bekommen große Augen. Da die Bewohner von Bouvet in erster Linie Seevögel, Pinguine, Seelöwen und Walrösser sind, die das Funken (noch) nicht können, braucht es Menschen, die für diesen Zweck mutig und waghalsig genug sind, dort hin zu kommen, an Land zu gelangen, das Eiland für Funkamateure irgendwie erreichbar werden zu lassen und auch gesund wieder heimzukehren. Axel Schernikau, DL6KVA ist einer der insgesamt nur wenigen Menschen, die je einen Fuß auf die Insel gesetzt haben.

Er war Mitglied im Team „3Y0J“, das sich aufmachte im Januar, Bouvet per Segelboot zu erreichen. Dass es riesengroße Unterschiede zwischen „Hinkommen“, „an Land gelangen“ und auch noch „QRV werden“ gibt, machte Axel mit seinem eindrucksvollen Vortrag über Bouvet deutlich. Axel war der Einladung von Irina, DL8DYL zum Maitreffen bei DF0SAX gefolgt und wie nicht anders zu erwarten, war der Vortragsraum fast überbelegt.

Mit der Marama gen Südatlantik
Axel nimmt die Zuhörer mit auf seine DXpeditionserlebnisse, die nicht erst an Bord der Marama und auf Bouvet beginnen. Der DXpedition „Bouvet“ gehen lange Vorbereitungszeiten voraus. Vor gut einem Jahr fand bereits ein fast finaler Test von Ausrüstung und Gerät im Norwegen an der Station von LN8W statt. In den Wochen danach erfolgte das Verpacken und Verladen in Seecontainer, denn damit wurde das Material im September 2022 zu den Falklandinseln per Schiff gebracht. Am 10.Januar 2023 nahm das Abenteuer beim Zusammenkommen der Crew 3Y0J in London seinen Anfang. Mit einer Passagiermaschine der Royal Air Force flog das 12köpfige Team mit Tank-Zwischenstopp auf den Kap Verden zu den Falkland Inseln. Nun war schon fast sämtliche Ausrüstung in dem Seecontainer verstaut und dennoch waren es enorm viele Gepäckstücke der Teammitglieder, die ihren Weg vom Mt. Pleasant Airport zum 1 ½ Stunden entfernt liegenden Segelboot im Hafen der Falklandinseln finden mussten.

VP8ON & Co. helfen weiter
Grund für das viele Gepäck: Die umfängliche Bekleidung in gleich mehrfacher Ausführung. An Bord der Marama gibt es nämlich keine Waschmaschine. Und bei Tagestemperaturen von etwa +5°C und Nachttemperaturen um den Gefrierpunkt empfiehlt sich im arktischen Sommer europäische Winterbekleidung. Das Beladen der Marama nahm nicht nur wegen der persönlichen Gepäckstücke viel Zeit in Anspruch. Dank der vollen Unterstützung der VP8-Funkamateure – Don, VP8ON allen voran- gab es vor Ort große Hilfen, die äußerst dankbar entgegengenommen wurde. Vier Tage dauerte es, bis auch der letzte Ausrüstungsgegenstand und letzte Kanister Generatortreibstoff verladen und fest verzurrt war – insgesamt rund 7 Tonnen Material!

Wir stechen in See!
Am 17.Januar legte die 31m lange, 6,5m breite Marama ab. Sie besteht aus einem Aluminium-Rumpf und hat zwei Masten mit 35m und 25m Höhe, die eine Segelfläche von etwa 1000m² ermöglichen. Während der Überfahrt gab es Sicherheitseinweisungen und das Handhaben der Überlebensanzüge wurde geprobt. Seegang und Kälte gab es reichlich, denn der antarktische Sommer hat mit Sommer in unserem Sprachgebrauch nicht viel gemein. Axel sprach in dem Zusammenhang von notwendiger „Kaltwetterbekleidung“. Die französisch geprägte Küche war zwar einfach aber sättigend und auch schmackhaft. Dass Seekrankheit in einer Zwei-Personenkabine unangenehm werden kann, erwähnte Axel nur beiläufig.

Maritime Mobile
Glücklicherweise wurde das Wetter während der Überfahrt besser und es eröffnete sich die Möglichkeit, mit Dipol und einem Elecraft K3 – Transceiver maritime-mobile Betrieb zu machen. Bis am 31. Januar Bouvet am Horizont gesichtet wurde, waren von Bord der Marama aus 5600 QSO im „/mm-Log“. Im Internet sind bei YouTube und Facebook eine Reihe von Bildern und Videos zu finden, die blauen Himmel und Sonnenschein zeigen. Dass das Phasen von oft nur 10 bis 20 Minuten waren, bevor sich das Wetter binnen Minutenfrist wieder von der schlechten Seite zeigte, kommt darin nicht zum Ausdruck. Aber genau diese Wetterkapriolen waren es, die manchen Plan, manche gute, wohlüberlegte Absicht zunichtemachten.

Land in Sicht!
Vor der Insel angekommen, machte sich ein 4köpfiges Vorausteam auf, um das Anlanden der gesamten Crew und des Equipments vorzubereiten. Bis zum angepeilten Standort auf der Insel waren es zwar „nur“ etwa 250m dafür aber mit gut 80m Höhendifferenz. Schon lange vor diesem Zeitpunkt war dieser Ort auserkoren, um 3Y0J zu „beherbergen“. An anderen Stellen war das Anlanden schlicht nicht möglich: die Felsen direkt ins Meer herabgehend, ohne auch nur etwas Strand oder dort wo ein klein wenig Strand war, etwas „überbevölkert“ mit Seelöwe, Walross & Co. Der Bereich einer dort vorhandenen, automatischen Wetterstation durfte nicht genutzt werden. Es blieb nur der Südosten als genutzter Anlandungsort übrig. Das sollte gute Ausbreitungsbedingungen Richtung Asien, Afrika und Europa ermöglichen. Nord- und Südamerika sind auch erreichbar, jedoch liegen die Felsen der Inseln mit einer maximalen Höhe von 700m dazwischen, was die Ausbreitung in diese Regionen der Erde etwas einschränkt.

DAS Wetter – DER Gegenspieler
Die Erfahrungen des Anlandens der Vorauscrew waren durchaus ernüchternd, denn, wie so oft in den darauffolgenden Tagen, war das Wetter mächtiger Gegenspieler dieser DXpedition. Bereits am nächsten Tag wurde ein Zelt mit ca. 80 Kg Masse in der zwei bis drei Meter hohen Brandung weggerissen. Mithilfe von Seilschleifen und Umlenkrollen die an Land und mit Anker auf See fixiert waren, wurde versucht, ein ums andere Mal die wasserdichten blauen Materialtonnen vom Zodiac-Beiboot an Land zu ziehen – körperliche Schwerstarbeit! Ein Crewmitglied hat während der Bouvet-Aktion fast 20kg Körpergewicht abgebaut und nicht etwa wegen Seekrankheit oder sonstiger Erkrankung. Axel selbst baute ebenfalls mit 5 Kg etwas ab.

Planänderung
Diese ersten Erfahrungen beim Anlanden von vergleichsweise eher leichten Materialtonnen hatten zur Folge, dass eine Planänderung hermusste. Einen oder gar mehrere 100kg schwere Dieselgeneratoren vom Beiboot auf die Insel zu bringen – unter diesen Voraussetzungen unmöglich! Nun reisen DXpeditionäre nicht viele tausend Kilometer um die Welt, um bei Problemen kurzerhand die Flinte ins Korn zu werfen. Die Diskussion und Abstimmung im Team darüber, wie weiter zu verfahren sei, verlief ebenso fair wie eindeutig: Weitermachen! Also blieb die Lösung übrig, mit einem kleineren Honda-Generator Funkbetrieb von Bouvet aus zu realisieren. Der wog weniger als die Hälfte und es gelang, diesen heile und betriebsbereit auf die Insel zu wuchten.

Benzin ist knapp
Problem: Der Generator wurde mit Benzin, statt mit Diesel betrieben und davon gab es mit 55 Litern überschaubar wenig an Bord der Marama. Weitere und zwar für die DXpedition erhebliche Folge: Es wurden aus dem Grund nur zwei Stationen „on air“ gebracht und mit 100 Watt Sendeleistung und Dipolantennen musste es nun irgendwie gehen. Das war natürlich alles ganz anders und vor allem viel umfangreicher vorgesehen und geplant. Dieses organisatorische „Umswitchen“ ging beim Zusammenstellen der auf Basis des neuen Plans notwendigen Ausrüstung und des Geräts recht gut. Es gab detaillierte Übersichten darüber, wo an Bord welches Material gelagert und verpackt war. Das Wetter zwang immer wieder zu Unterbrechungen beim Anlanden und Aufbau. Bis das weiße Zelt, auf mehreren Ebenen abgespannt den Wind- und Sturmböen bis zu über 110 km/h standhielt und endlich geschützten Raum und Platz für 9 Personen bot, verging manche Stunde.

Schwimmen im Südatlantik
Als Axel beschreibt, wie er und die weiteren Teammitglieder vom Beiboot dann zum Strand gelangen mussten, machte manche der Zuhörerinnen und mancher Zuhörer „dicke Backen“. Glaubte zuvor noch jeder, dass das Bötchen nahe genug an den Strand führe, um dann dort einfach Aussteigen und mit wenigen Schritten durchs flache Wasser den Sandstrand zu erreichen, dem erklärte Axel die Wirklichkeit: Durch den Überlebensanzug geschützt, begibt sich der DXpeditionär ins nasse Element, um am zwischen Boje und Insel gespannten Seil festgeschnallt und sich klammernd durch die Brandung an Land zu ziehen! „Das war kein ganz großes Problem, denn mit dem Anzug, der im Inneren völlig trocken und auch halbwegs warm ist, schwimmt man praktisch auf dem Wasser. Das einzige was nass wird, ist das Gesicht – nicht weiter tragisch“, beschreibt Axel dem mit großen Augen etwas ungläubig dreinschauenden Auditorium seine „Schwimmübung“. Dass man an Land den Anzug wieder ablegen muss und mit der „normalen“ Expeditionsbekleidung umeinanderläuft, die dann bei schlechtem Wetter nass wird und im Zelt kaum zu trocknen ist – eine Randerscheinung. Und das reinste Vergnügen in einem solchen Überlebensanzug zu „schlüpfen“ ist es auch nicht. Aber während der Überfahrt von den Falklandinseln hatte man ja geübt, was es aber nicht wirklich leichter macht.

Macht‘s die Enge auch gemütlich?
Zurück zum Stichwort „Zelt“: Geräumigkeit ist ein relativer Begriff. Die Grundfläche war zu 90% mit Schlafsäcken belegt und in der Mitte stand ein kleines Öfchen, das zeitweise betrieben für etwas Wärme in sonst kalter Umgebung sorgte. Und die verbleibenden 10%? Die Antwort ist einfach: Platz für keinen riesengroßen, sondern eher kleinen Stationstisch. Der Begriff „Tisch“ und insbesondere Stationstisch ist auch relativ: Auf einer großen umgedrehten Plastikwanne fanden die beiden K3-Transceiver übereinander Platz, die zugehörigen Laptops versahen weich gepolstert auf den Oberschenkeln der Operator ihren Dienst. Vielleicht war es auch eine kleine Wärmequelle für den OP. Beim Betrachten der Fotos, die Axel zeigt, ist deutlich, das halbwegs bequemes Operating an der Funkstation doch deutlich anders aussieht. Halb sitzend, halb liegend, aber es ging – irgendwie muss der geneigte DXpeditionär aus solchen Situationen das Beste machen…

Antennen stabil
Draußen, ganz in der Nähe zum Zelt, waren Verticals aufgerichtet, die die Sturmböen klaglos überstanden: Eine für das 12m-Band konfigurierte Vertical wurde für das 17m-Band umgebaut während sich die 15m-Band und die 30m-Band-Verticals ein Koaxkabel (20m-/40m-Länge) teilten. Generell war der Betrieb so ausgelegt, dass tagsüber vorwiegend Betrieb auf 15m und 17m und in der Nacht auf 30m Funkbetrieb stattfand. Rund 18.600 QSOs sind am 13. Februar um 18.51 Uhr UTC im Log, der Funkbetrieb war eingestellt.

Abbau
Nun galt es, alles abzubauen und in passender Wetterlücke mit dem gesamten Material –Abfall inklusive- zurück zur rund 200 bis 500m vor der Insel ankernden Marama zu gelangen. Das Segelboot war übrigens während der stürmischen Wetterphasen deutlich weiter von der Insel entfernt, um sicher zu sein, nicht auf Grund zu treiben oder gegen die Felsen gedrückt zu werden. Das bedeutet natürlich, dass im Falle eines Falles Hilfen von Bord des Schiffes nicht ohne weiteres zu bekommen sind. Auf Bouvet ist die Crew ganz auf sich gestellt. Ein Punkt, der zum Tragen kam, als bei den ersten Anlandungen das Wetter so schlecht wurde, dass eine Bootsfahrt zurück zur Marama unmöglich war. Die vier Teammitglieder musste ohne Schlafsack in einer Felsnische, nicht wirklich gut vor Wind und Regen geschützt, die Nacht verbringen oder besser die Nacht überleben, und das ist nicht völlig übertrieben. Das war schon eine harte Nummer. Aus diesen Erfahrungen heraus war klar, dass für Abbau und Rücktransport nur jedes denkbare Zeitfenster genutzt werden musste, um sicher an Bord der Marama zu gelangen.

Kurs liegt an, Segel gesetzt
Als alles das nach acht Fahrten mit den Zodiacs vom Strand zur Marama geschehen war, wurden Kurs und Segel gen Kapstadt gesetzt. Meist mit gesetzten Segeln wurde Südafrika nach 12 Tagen erreicht. Vor Kapstadt lag die Marama noch einen Tag vor Anker, weil im Hafen keine Helfer zum Entladen bereitstanden. Als dann die Marama am Kai festmachte, war das Entladen mit fast nur 4 Stunden in Rekordzeit erledigt. Gut, dass es einen Kran gab und sieben bis acht Hafenarbeiter kräftig zupackten.

Fazit in Zahlen
Axel kam in seinem Fazit zur gesamten DXpedition auch auf Zahlen zu sprechen – losgelöst von ca. 18.600 QSOs. Was ist für eine solche DXpedition zu zahlen? Das Budget belief sich auf 715.000 $ und glücklicherweise kamen mehr Spenden als erwartet zusammen, sodass die Clubs, die teils große Summen gespendet hatten, einen Teil zurückerstattet bekommen. Insgesamt fließen so 50.000$ zurück. Das kann dann anderen DXpeditionen wieder zugutekommen, wenn sich die Clubs für eine entsprechende Unterstützung entscheiden.

Betriebstechnik
Auf die Fragen zum Log und relativ vielen Mehrfach-QSOs angesprochen, stellt Axel klar, dass ein zeitnahes Log-Upload aufgrund der vor Ort eingeschränkte Rahmenbedingungen nicht möglich war. Erst mit Rückkehr an Bord der Marama konnten die Logs hochgeladen werden. Axel war beim CW-Betrieb schon klar, dass es zahlreiche, intensive Störungen gegeben haben muss, weil teils einige Male die Rufzeichen von ihm aufgerufen werden mussten, bevor die Verbindung im Logbuch war. Von allen wurde übereinstimmend gesagt, dass die Betriebstechnik der Anrufenden zumeist aus Europa oft unterirdisch war. Teils wollten die Anfeindungen auf der TX-QRG von 3Y0J kein Ende nehmen. Auch Piratensendern schienen Tür und Tor geöffnet.

Hinterher ist man immer schlauer…
Axel glaubt auf der Grundlage der aktuellen Erfahrungen, dass bei DXpeditionen dieser Kategorie zu der Insel Bouvet andere Boote zum Anlanden, vielleicht mit stärkerem Motor, vielleicht mit festem Boden günstiger gewesen wären. Ein Schlauchboot wurde nämlich durch die Felsspitzen im Wasser schwer beschädigt. Auch die Entscheidung für schwere Dieselgeneratoren war unter den wetterbedingten Anlandungsvoraussetzungen ungünstig. Dass auch der kleinere Honda-Benzingenerator nach dem mehrtägigen Dauerbetrieb seine Macken hatte und trotz sorgfältigen Behandelns mehrere Male nicht sofort in Gang zu setzen war, zeigt, wie speziell Anforderung an das Gerät auf einer Insel wie Bouvet sind. Aber die Binsenweisheit gilt auch hier: Hinterher ist man immer schlauer…

Dem Vortrag folgte langanhaltender Applaus und viele Gäste nahmen Gelegenheit, mit Axel ins Gespräch zu kommen. Es gab noch viele Fragen an diesem Abend, die im ganz persönlichen Gespräch von Axel in der ihm eigenen, ruhigen, in jeder Hinsicht sehr sympathischen Art geduldig und mit Hingabe beantwortet wurden. Axel, DL6KVA ist übrigens seit langer Zeit Mitglied im BCC. Der Vortrag war ein großartiges Highlight an einem sowieso schon tollen Zusammenkommen am Wachberg im sächsischen Ottendorf-Okrilla oder kurz bei DF0SAX. Und wer hat’s organisiert? Irina, DL8DYL – wer sonst – sagt der dankende Berichterstatter.