World Radio Team Championship 1996 in San Francisco

Am Donnerstag Abend begann der Nervenkrieg. Im Laufe der Woche waren alle Teilnehmer der WRTC angereist, hatten sich am Donnerstag morgen registriert, hatten an der Bar von ihren Antennen zu Hause berichtet und von ihren Kilowatts und versichert, sie waren nur gekommen um dabei zu sein.

Bei den Jungs aus UA spürte ich sofort, daß sie heiß waren. Nicht nur daß sie bedauerten, daß kein Team von Y34K dabei war – die zu schlagen würde ihnen noch viel mehr Spaß machen. Ich konnte förmlich spüren, daß sie zur Ehre ihres Landes gekommen waren. Sie waren sich ihrer Überlegenheit recht sicher aber dabei in keinster Weise arrogant oder überheblich.

Ähnlich das Team aus Litauen. Russisch war noch nie die Sprache in Litauen, daraus machten sie von der ersten Minute an keinen Hehl. Daß sie das russische Team schlagen würden war überhaupt keine Frage und ihr Jungs aus Deutschland – wait and see!

Viel entspannter waren die Spanier, die Schweden oder Australier. Sie waren wirklich nur gekommen, um dabei zu sein und genossen es unbeschwert und in vollen Zügen, für einige Tage von mehr als 160 Top-Contestern umgeben zu sein. Wenn man in Friedrichshafen einem Top-DXer oder -Contester „ehrfurchtsvoll“ die Hand schütteln kann, hier waren es mehr als 160 auf einmal.

Von den USA Teams hörte man, daß einige heimlich geübt hatten, oder quer durch den Continent gereist waren um gemeinsam zu trainieren. Wenn das nicht ernst zu nehmen war. Jedenfalls nahm ich mir vor, wenigstens bei den Europäern die Erwartungshaltung hochzuschrauben (die ganze Nation schaut auf Euch), um zu sehen, ob das bei Wettkämpfen wirklich auch eine Frage der Nervenstärke ist. Die Vorfreude darauf ließ mich in dieser Nacht gut schlafen.

Am nächsten Tag wurde es ernst. Zunächst hatten die Schiedsrichter für zwei geschlagene Stunden Besprechung. Was es da nur noch zu reden gab? Im Anschluß daran Besprechung aller Teilnehmer. Die „alten“ Sieger wurden nochmals geehrt, und weil ja einige Jahre vergangen waren, weil die Sonnenflecken jetzt viel weniger sind, weil die Jungs auch älter geworden sind und überhaupt, um ihnen viel Erfolg zu wünschen und ihre Chancen zu erhöhen, bekam jeder des alten Teams eine Packung Ohrwachs-Entferner als Geschenk.

Es wurden Fragen zur Auslegung der Contestregeln diskutiert. Die Regeln waren klar formuliert aber dennoch zeigte sich, daß für Interpretationen immer noch ein weiter Raum zur Verfügung stand. Die Diskussion dauerte sehr lange, war aber notwendig, um alle Teilnehmer wirklich auf die gleiche Auslegung der Regeln zu bringen.

Dann wurde es spannend: Aus einer großen Lostrommel wurden die Umschläge mit den QTHs gezogen.

Grundidee der WRTC ist es, alle Teilnehmer unter gleichen Bedingungen starten zu lassen: gleiche geografische Lage, gleich Antennen, gleiche Leistung, gleiche Rufzeichenattraktivität. Daß nicht alle QTHs gleich gut sein können steht außer Frage. Die Veranstalter hatten sich größte Mühe gegeben und 52 (!) Stationen mit 3-Band-Beam auf ca 15m Höhe und 40m Dipol aufgetrieben oder eingerichtet. Um die Chancengleichheit zu wahren, wurden die QTHs verlost und zwar in alphabetischer Reihenfolge der Teilnehmerliste.

Stefan zog unseren Umschlag. Ich hielt die Luft an. Das waren schon mindesten 50% der Entscheidung: Unser Schiedsrichter war Dave, NB6G, der viel Contesterfahrung aus der Karibik hat. Unsere Gaststation AD6E, Al. – Erleichterung; das Call war mir bekannt und sein QTH konnte nicht das schlechteste sein. Manche Teams mußten zu einem Fieldday-Type Standort ohne jede Infrastruktur.

Im ersten Umschlag war ein weiterer, versiegelter Umschlag. Dieser barg das größte Geheimnis: das Contest Call. Der Umschlag durfte erst 30 Minuten vor Contestbeginn geöffnet werden. Zum „Warmlaufen“ vor dem Contest konnte das Call des Gastgebers benutzt werden. Das Teamrufzeichen sollte auf keinen Fall von der Außenwelt den Teams zugeordnet werden können.

Es wurden noch Bandpaßfilter ausgegeben, Wegebeschreibung geholt, von der xyl verabschiedet und manch anderem Team viel Glück gewünscht, bevor man sich auf die Suche nach dem QTH machte.

Unsere Referee Dave fuhr uns in Richtung Süden. Unsere Gaststation war in der Nähe von San Jose, ca 1 Stunde Fahrzeit. Jeder machte sich wohl seine eigenen Gedanken, was die nächsten 48 Stunden bringen würden. Waren wir willkommen bei unserer Gaststation? Würde das QTH halbwegs frei nach allen Seiten sein oder mitten in einer Häuserwüste? Waren die Antennen halbwegs brauchbar? Wie würde der Schiedsrichter sich verhalten, der alles peinlich genau beobachten soll?

Die Regeln sagten sehr klar, daß an den Antennen nichts von uns gemacht werden dürfte. Jeder Versuch, die Idendität bekannt zu machen konnte zur Disqualifikation führen. Es gab strikte Anweisung, jede Frage wie „bist Du das Ron?“ mit einem „QRZ“ zu beantworten. Im QSO durften auf keinen Fall Dinge wie „DL2NBU Peter ur 5996“ auftauchen.

Je länger wir gen Süden fuhren, um so näher kam eine Bergkette auf uns zu und die Gespräche wurden immer leiser. Neue, düstere Gedanken kamen auf. Biegt er nicht bald rechts ab, weg von den Bergen? Nein stattdessen verließ Dave die Autobahn und fuhr nach Osten – direkt auf die Berge zu. Aus der Wegebschreibung wußte ich die ungefähre Fahrzeit von der Autobahn und das beunruhigte mich sehr. Etwas wehrte sich in mir. Wir waren gekommen um die WRTC zu gewinnen und nicht den BBT!

Als das Auto dann langsam zu den ersten Steigungen kam (gegen Osten versteht sich) hatte ich mich damit abgefunden und meine innere Ruhe kehrte zurück. Am Fuß der Berg (die Foot Hills) kamen wir in ein Wohngebiet mit sehr flacher, lockerer Bebauung und bald sahen wir eine wunderbare Antenne: ein KT34-XA, darüber ein Cushcraft 2 el 40m Beam und darunter eine 40 m inverted Vee. Dieser 40m Beam könnte wohl mit der 40m inverted Vee als 3 el WRTC-Special in die Antennenbücher eingehen. Ja, und zwei Grundstücke weiter eine noch größerer Mast mit einer 3 element 3 Band Quad. Die war leider nicht als Zweitantenne für uns gedacht, aber der OM hatte versprochen, die ganze Zeit still zu halten.

Aus Daves Unterlagen über das QTH hatte ich erspäht, daß es als „Grade B“ eingestuft war. Was immer das heißen sollte, es war nicht das schlechteste und mußte wohl durchschnittlich bedeuten. Al, unser Gastgeber hieß uns herzlich willkommen und führte uns gleich ins Shack. Ein TS950-SDX auf dem Tisch, Endstufe, 2 Computer, einfach alles, was man so zum glücklichen Funken braucht. Wir dürften alles benutzen, was wir wollten, aber wir beschlossen, doch unser eigenes Equipment aufzubauen. Es war klar, daß bei 52 Stationen Murphy irgendwo zuschlagen würde. Wenn es bei uns sein sollte, dann sollte es unsere eigenen Geräte treffen.

Al’s Stationstisch wurde also total abgeräumt und mit unseren Geräten wieder vollgepackt. TS-870 als Haupt- und IC-735 als SWL-Station. Computer, Taste, Antennen-Flip-Flop Schalter und vorsorglich die Bandpaßfilter in Bereitschaft. Die NF für die Kopfhöhrer mußte aus der Lautsprecher-Buchse des Transceivers entnommen werden. Über ein T-Stück waren der Kopfhöhrer des Competitors, des Schiedsrichters und der Videorecorder angeschlossen. Auf dem Videorecorder wurden die gesamten 18 Stunden des Contest aufgezeichnet, um im Falle eines Disputs nachprüfen zu können, was nun wirklich zu höhren war.

Dann kam eine lange Wartzeit. Der Contest würde morgens um 5 Uhr Lokalzeit anfangen. Wir stellten 3 Wecker auf 04:00 Uhr. Ich schlief sehr unruhig. Um 03:45 krabbelte Stefan aus dem Bett. Ich stellte alle Wecker ab und begann auf leisen Sohlen mit Kaffee kochen.

Um 04:15 lief die Station warm. Zigmal wurde jede Funktion immer wieder getestet. Um 05:30 kam der Schiedsrichter ins Shack: „Now is the time“. Er öffnete den Umschlag: W6Y. Nicht schlecht. Noch 30 Minuten Zeit, das neue Rufzeichen, unsere neue Identität, zu lernen. Die Rechneruhr wurde exakt nach WWV gestellt, die Sendeleistung vom Referee nochmals genau nachgemessen.

04:59. Wir saßen an der Station. Stefan an der SWL Station, ich an der Hauptstation. Die Kopfhöhrer übergestülpt, die Taste programmiert, der Stuhl zurechtgerückt, die Tastaur des Notebooks an der richtigen Stelle… und die Sekunden tickten. „51 Konkurrenten warten jetzt auf den Beginn des Rennens und wollen zeigen was sie können.“ Ich dachte nochmal an DA0HQ, wie aufregend es dort um diese Zeit gewesen war, und doch so gemütlich im Vergleich zu dem heutigen Tag. „GO GO GO GO …“ das war Dave, der Referee. Das Rennen hatte begonnen.

Trotz aller Vorwarnungen der Veranstalter, sie würden den gesamten Kontinente auf die Beine bringen und uns mit Anrufern überschütten, hatten wir unsere Strategie auf Fieldday Knochenarbeit eingestellt. 100 Watt, niedriger Beam, keine Sonnenflecken, Hochsommer. Die erste Station die wir anriefen, kam nicht zurück. Auch der zweite Anruf blieb unbeantwortet. Bei der nächsten und übernächsten Station das gleiche Schicksal. Wir waren zu leise und kamen nicht durch. Erst der jeweils vierte oder fünfte Anruf brachte einen Erfolg.

Mir wurde langsam klar, daß mit der Search & Pounce Strategie nichts zu holen war und stellten uns auf die neue Situation ein. Denn wenn jeder CQ Ruf von 2 oder mehr Stationen beantwortet wird, heißt das nichts anderes als daß ein Überangebot an Anrufern da ist. Da ist CQ rufen angesagt. Das Unfaßbare trat ein, ein pile up baute sich auf. Die pile ups schwollen immer weiter an. Als im Laufe des Tages Stefan im SSB Betrieb mehrmals kurzzeitig den QSO-Schnitt von 450 Q/h überschritt, ist der Schiedsrichter fast ausgeflippt, hat seine Kamera geholt und mußte dauernd den Bildschirm fotografieren.

Die hatten tatsächlich den ganzen Kontinent auf die Beine gebracht. Man konnte deutlich spüren, wann wir im Packet Netz angesagt wurden. Und keiner fragte, was ist das für ein komisches Rufzeichen? Nur die Europäer, die wußten von nichts. Das schwierigste QSO war DA0HQ. Immerhin war das ein HQ-Multiplikator, und Multis waren in diesem Contest überhaupt die größte Rarität. Vier endlose Minuten lang versuchten wir den Operator an DA0HQ von der Richtigkeit unseres Calls zu überzeugen (in CW). Am Schluß war unser Schiedsrichter nicht überzeugt. Sein ungläubiger Blick konnte nur bedeuten, daß er die Bestätigung als W6YTU und nicht als W6Y TU aufgefaßt hatte. Das QSO wurde wohl mit 3 zusätzlichen Penalty Punkten gestrichen.

Gegen 09:00 Vormittag während des CW-Betriebs plötzlich ein schriller, schmerzhafter Träger in meinem Ohr, ganz kurz nur und gleich wieder einer. Weder Strich noch Punkt und schon kam der dritte Ton. Wieder war er in der Frequenz etwas höher. War der RX angeschossen? Nein, es war wirklich nur ein Ton. Ein Ton der Tonleiter. Al hatte eine Tochter. Seine Tochter hatte ein Klavier, Das Klavier stand im Nebenzimmer. Die Wände waren hauchdünn. Die Tochter liebte das Klavier.

Die Veranstalter hatten versprochen, daß sie alles in ihrer Macht stehende tun würden, um die Chancengleichheit zu wahren, aber wenn irgendwo Powerline-noise auftrat, oder der Nachbar Rasen mäht, dann läge das nicht in ihrer Macht. Naja, es hätte in unserer Macht gelegen, Al um einen Gefallen zu bitten. Aber ich sortierte das unter Rubrik „Rasen mähen“ ein und nahm das als eine Herausforderung besonderer Art, mit der wir spielend fertig werden würden. Es gab den schmerzenden Stich im Ohr ja auch nur dann, wenn der Ton genau den Durchlaßbereich des CW Filters traf. Die Musik selbst, der Rhytmus wirkte eher beflügelnd als störend. Nur hatte keiner bedacht, wie sehr und wie lange die Tochter das Klavier liebte.

Um 23:00 waren wir am Ziel. Neben mir saß ein erschöpfter aber strahlender Stefan. Ich mußte ihm einfach die Hand drücken. Dave, der Schiedsrichter beglückwünschte uns und Al, der Gastgeber freute sich mit uns. Wir hatten in 18 Stunden über 2000 QSOs geloggt, viel Zeit in Multiplikatoren investiert, was sich zwar nicht immer ausgezahlt hatte und ein gesundes CW/SSB Verhältnis. Wir waren sehr zufrieden.

Noch in der Nacht haben wir abgebaut, Al’s Schack wieder eingerichtet und sind zum Hotel zurückgefahren. Die ersten waren schon da. Seltsam, keiner sah irgendwie frisch aus. Man sah strahlende Augen, aber auch sorgenvolle Gesichter. Scheinbar war nicht überall alles so glatt gelaufen. Die ersten Gerüchte über QSO-Zahlen machten die Runde. 2600 QSOs waren das höchste Gebot. Beruhig Dich Roland, QSOs sind nicht alles. Da sind noch Multiplikatoren und CW/SSB Verhältnis. Wait and see, genieße die Spannung! Diese mitternächtliche Stunde kommt nie wieder.

Am darauf folgenden Abend war in der Stanford University of California das Festbankett mit Siegerehrung angesagt. Die Gerüchte hatten sich soweit verdichtet, daß wir nicht unter den ersten 3 sein konnten. LU6BEG, der zweitjüngste Competitor, war noch vor dem Contest erkrankt und lag noch mit Fieber im Bett. Contestfieber? Chris ZS6EZ hatte durch Erkältung am Tag vor dem Contest seine Stimme verloren. Bei dieser Besetzung des Contests alles totsichere Voraussetzungen, um nicht über das hintere Drittel hinauszukommen. Zum Bankett waren aber alle gekommen. Alle von den Strapazen gezeichnet.

Plötzlich gratulierte mir jemand zum „Best European“. Woher weißt Du das? Die Ergebnisse sind da. Ein Blick, schnelles zählen…. Platz 14! Nicht schlecht, das war gute Arbeit. Die Anspannung der letzten Tage weicht, ein Gefühl von Freude und Zufriedenheit breitet sich aus. Aber vor uns war doch noch ein europäisches Team. Nein, sagten die Slowenen, das sind nur europäische Rufzeichen, aber keine Europäer!

Ich versuchte eine Ergebnisliste zu erhaschen. Wo waren meine Favoriten gelandet? Zum Bedauern aller war Murphy bei den Finnen zu Besuch gewesen. Ihr Computerlog war durch einen Softwarefehler verloren gegangen und obendrauf hat der Videorecorder nichts aufgezeichnet. Pasi und Juha waren an diesem Tag die unglücklichsten Menschen auf der Welt.

Wie haben uns sehr gefreut über unseren 14. Platz und sind auch recht stolz drauf. Um ehrlich zu sein, den KR0Y auf Platz 1 hätten wir nicht gepackt, auch wenn wir keinen Berg, kein Klavier und dafür 2 kW mehr gehabt hätten. Der Junge ist eine biologische CW-Maschine. Im dicksten Pile-up kommt nach jedem Schwall immer ein vollständiges und vollständig korrektes Rufzeichen wie ein Echo von ihm zurück. Ich kann das nur dadurch erklären, daß er wohl mit der Fähigkeit gesegnet ist, sich mit dem Ohr auf < 50 Hz Bandbreite konzentrieren zu können. Am Montag lud der Slowenische Contest Club zu einer Party ein. Es gab viel zu reden. Jetzt viel entspannter und ausgelassener. Ich hatte immer noch nicht mit allen 160 sprechen können und versuchte aufzuholen, so gut es nur ging. Tine, S50A, hatte einige Flaschen ohne Etikett. "Der erste ist gut, der zweite ist besser, der dritte ist am besten und von dem vierten weißt Du nichts mehr." Ich kann mich genau bis 3 ½ erinnern. Abschied nehmen fällt immer schwer. Hier fiel es uns ganz besonders schwer. Wo werden wir uns im Jahre 2000 wieder treffen? Wer wird wieder dabei sein? Welchen dieser zu Freunden gewordenen Contester werden wir vielleicht nie wieder sehen? 73 de Roland, W6Y Team Germany #1